Sonntag, 15. Februar 2009

2ndhand oder 1 Euro Laeden - Ansturm in der Wirtschaftskrise

Von Christian Wiesel

Die deutschen Billigheimer lassen keinen Zweifel daran, dass es in ihren Läden tatsächlich echte Schnäppchen und nicht nur Ramsch gibt. "Nehmen wir das Beispiel Klebefilm", sagt EuroShop-Geschäftsführer Rainer Schum. Für das Markenprodukt Tesa zahle man im normalen Kaufhaus 1,79 Euro - für eine Rolle. In seinen EuroShops koste Klebefilm einen Euro - für acht Rollen. "Zum Verpacken eines Geschenkes ist die Qualität allemal ausreichend", sagt Schum.

Den ersten EuroShop hatte der Mittelständler im Jahr 2004 eröffnet. Im Gegensatz zur Konkurrenz kosten die Waren hier tatsächlich alle nur einen Euro. Zudem machen die Läden einen aufgeräumteren Eindruck.

"Billiges darf nicht billig aussehen", sagt der Familienunternehmer. Seine J. E. Schum GmbH & Co. KG war ursprünglich als Eisenwarenhandel gegründet worden. 1877 hatte Johann Eugen Schum in der Würzburger Innenstadt das erste Geschäft eröffnet. Rainer Schum baute das Unternehmen seit den siebziger Jahren konsequent um.

Den größten Umsatz macht er heute mit Billigartikeln, die er an namhafte Einkaufsmärkte liefert. Diese erhalten eine fertig gepackte Palette mit einem bunten Mix an Euro-Artikeln, die sie nur noch in den Laden schieben und verkaufen müssen. Schätzungsweise 125.000 dieser Paletten seien im vergangenen Jahr an Abnehmer in 28 Ländern gegangen.

Die billigen Preise werden über riesige Einkaufsmengen realisiert, von manchen Erzeugnissen ordere er bis zu eine Million Stück, sagt der 59-Jährige. Zu 80 Prozent stammen die Waren aus Asien - China, Vietnam, Philippinen. Spottbillig in Asien einzukaufen, sei das Konzept aller Euro-Shops, erklärt Handelsforscher Roeb. "Was sich in China abspielt, ist einmalig. Eng konzentriert finden sich dort Hunderte Nippes-Hersteller."

In Zeiten der Wirtschaftskrise erwartet Schum einen noch größeren Ansturm auf seine Läden. "Es wird mehr Menschen geben, die sparen wollen. Die Leute wissen nicht, was kommt, also halten sie aus Vorsicht ihr Geld zusammen."

Handelsexperten sind dagegen anderer Meinung, was die Entwicklung der Billigläden in Zeiten der Krise angeht. "Die Gruppe der Spaßkäufer wird sich sehr wohl überlegen, ob sie jetzt noch Geld rausplempert", sagt Roeb.

Wolfgang Twardawa von der GfK gibt den Billigheimern gleich überhaupt keine Zukunft, über kurz oder lang würden sie ganz von der Marktfläche verschwinden. Schuld sei das Warenangebot: "Das bekommen sie doch auf jedem Trödelmarkt." Vieles sei schlichtweg nur Ramsch.

Tatsächlich gebe es einige Artikel, die selbst ihren geringen Preis nicht wert seien, sagt Euro-Shopperin Bostelmann. "Manches kann man einfach nur knicken." Doch hin und wieder gelingen ihr auch echte Schnäppchen. Bei ihrem Mäc-Geiz-Einkauf in Hamburg-Harburg wandert dieses Mal ein Satz Pfannenwender aus Plastik in den Einkaufskorb. "Für meine Nachbarin", sagt die junge Frau. "Ich habe schon welche. Die sind für den Preis einfach nur klasse."

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2ndhand oder Die Billigheimer erleben einen Boom

Von Christian Wiesel

Den Deutschen scheint das Konzept zu gefallen. Nach den Lebensmittel-Discountern Aldi, Lidl, Netto und Co. erleben nun die drei großen "Non-Food"-Ketten Tedi, EuroShop und Mäc-Geiz einen Boom. Woche für Woche eröffnen sie in Deutschlands Innenstädten und Einkaufscentern neue Filialen.

"Nicht immer zur Freude der anderen Geschäftsinhaber und Stadtverwaltungen", sagt Wolfgang Fritz, Leiter des Instituts für Marketing an der Technischen Universität Braunschweig und Mitautor des Buches "Die Discountisierung der Gesellschaft". Denn seit neuestem siedeln sich die Geschäfte auch in Top-Lagen an.

Zu den großen Drei kommen unzählige lokale Anbieter hinzu, erklärt Olaf Roik vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels. "Die alle haben sich verdammt dynamisch entwickelt." Die EuroShop-Kette des Würzburger Unternehmers Rainer Schum zählt rund 120 Geschäfte, Mäc-Geiz rund 250 und Tedi - nach eigenen Angaben Billigladen-Marktführer - hat zwischenzeitlich in ganz Deutschland mehr als 760 Filialen.

Eine Ende des Billigbooms ist nicht absehbar: Glaubt man den Ankündigungen der Unternehmen, wird fleißig weiter expandiert. Mäc-Geiz visiert für dieses Jahr 30 weitere Filialen an, EuroShop plant 40 neue Läden.

Das ehrgeizigste Ziel hat sich Tedi gesetzt: Jahr für Jahr sollen mindestens 150 Geschäfte neu eröffnet werden - damit geht etwa jeden zweiten Werktag eine neue Dependance an den Start. Ein buntes Balkendiagramm auf der Internet-Seite gibt die Marschrichtung bis ins Jahr 2012 vor, insgesamt 1430 Geschäfte soll es dann geben. Und auch eine Expansion ins europäische Ausland fassen die Manager ins Auge. Tedi selbst zählt sich zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen in Europa.

Doch die rasante Entwicklung hat eine Schattenseite: Sie geschieht bei einigen Unternehmen auf Kosten der Mitarbeiter. "Lohndumping ist dort an der Tagesordnung", sagt Ulrich Dalibor, Fachgruppenleiter Einzelhandel bei der Gewerkschaft Ver.di. Die Löhne seien oft "sittenwidrig gering". Überstunden würden nicht vergütet. Und die Wahl von Betriebsräten, die sich für die Rechte von Angestellten einsetzen, versuche Tedi zu torpedieren.

Im Internet lassen sich Beschäftigte über die unrühmlichen Praktiken aus: "Tedi bedeutet Ausbeutung und Sklaventum", schreibt "sven" auf verdi-blog.de. "Jede Putzfrau erhält mehr Achtung und vor allem mehr Geld", empört sich ein anderer Blogger. Selbst bei Lidl seien die Arbeitsbedingungen deutlich besser, meint eine Bloggerin.

Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE erklärte das Unternehmen zu den Vorwürfen schriftlich, dass hinsichtlich der Arbeitszeiten alle Gesetze eingehalten werden. Ansonsten ist die Firma mit Sitz in Dortmund sehr schweigsam, Umsatzzahlen oder Eigentumsverhältnisse sind ein gut gehütetes Geheimnis. Nach Angaben von Branchenkennern ist Tedi ein Ableger der Textil-Billig-Kette KiK, die wiederum dem Handelsriesen Tengelmann gehört.

Die wachsende Armut spielt den Läden in die Hände

Der Boom der Billigläden ist nicht zuletzt Ausdruck der wachsenden Armut. Immer mehr Menschen können von ihrem Einkommen nicht leben. "Das spielt Discountern und Geringpreisläden in die Hände", sagt Wolfgang Twardawa von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg. In einer GfK-Umfrage im Jahr 2002 hätten 19 Prozent der Befragten angegeben: "Ich kann mir fast nichts mehr leisten." Im Jahr 2008 waren es bereits 27 Prozent.

Doch Armut ist keineswegs das einzige Motiv, im Billigladen einzukaufen. Neben Spar-Käufern gibt es nach Ansicht des Handelsexperten Thomas Roeb noch das Klientel des Spaß-Käufers.

Letzterer sei nicht auf den Einkauf im Billig-Laden angewiesen, verspüre dabei aber besondere Glücksgefühle. "Die Mischung aus Schnäppchen und Überraschung macht es so prickelnd", sagt der Professor für Handelsbetriebslehre an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg. Vor Betreten des Ladens wisse niemand ganz genau, welche Waren es geben wird. "Für viele Menschen ist das wie eine Art Schatzsuche", pflichtet ihm Discount-Experte Fritz bei.

Erfinder der Schatzsuche sind - wie könnte es anders sein - die Amerikaner. Vor mehr als hundert Jahren hatte Woolworth den Grundstein für das Billigkonzept gelegt, erklärt Fritz. Heute gebe es in den USA mit den "One-Dollar-Stores" und in Japan mit den 100-Yen-Shops der Daiso-Sangyo-Gruppe sehr schnell wachsende Billigketten.

Die Deutschen brauchten relativ lange, um sich mit dem Konzept anzufreunden. In den neunziger Jahren entstanden die ersten 99-Pfennig-Läden.

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2ndhand oder wie hier Ein-Euro Reich im Trend

Von Christian Wiesel

Nach Aldi, Lidl und Co. erlebt in Deutschland eine weitere Kategorie von Billig-Discountern einen Boom: Ein-Euro-Shops bieten vom Abwaschlappen bis zum Zahnstocher allerhand Krimskrams zum Kleinstpreis an. Die Ketten gehören zu den Gewinnern der Wirtschaftskrise.

Hamburg - Nina Bostelmann schiebt ihren Kinderwagen elegant durch schmale Gänge. Aufmerksam wirft sie den Blick nach rechts oder links, zu den gestapelten Metallboxen. Hin und wieder bleibt sie kurz stehen, greift hinein in einen der Körbe, die mit allerhand Krimskrams gefüllt sind und betrachtet den Inhalt genauer.

Die junge Mutter eines kleinen Kindes genießt den kurzen Einkauf, das Stöbern und Wühlen, bei "Mäc-Geiz" in Hamburg-Harburg. "Hier findet man immer was zum kleinen Preis." Fast immer wenn sie Einkaufen gehe, statte sie auch dem Geschäft einen Besuch ab. "Ich kann mich guten Gewissens als Euro-Shop-Gängerin outen", sagt die 25-Jährige.

Die stellvertretende Filialleiterin Sabrina Müller freut's. Seit der Eröffnung des Ladens im Sommer 2006 gebe es steigende Umsätze. "Die Geschäfte laufen richtig gut." Der Firmenname ist bei Mäc-Geiz Programm: Hier gibt es zum kleinen Preis nahezu alles zu kaufen, vom Aktenordner über die Klobürste bis hin zum Zahnstocher. Der Clou: Die Waren sind in feste Preiskategorien unterteilt, von 55 Cent angefangen in kleinen Schritten aufwärts bis hin zu fünf Euro.


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